Geschichte

Urzeit

Die Vögel stammen von den Archosauriern ab. Sie entwickelten sich vor über 100 Millionen Jahren in der Jurazeit. Archosaurier waren eine weitgefächerte Unterklasse der Stammreptilien, die im Mesozoikum ihre große Blütezeit hatten. Viele Reptiliengruppen sind dann im Tertiär ausgestorben. Die rezenten Reptilien haben etwas gemeinsames mit den rezenten Vögeln, nämlich einige Baueigentümlichkeiten. Insbesondere die Fortpflanzung über das Amnioei und die damit zusammenhängenden Entwicklungsvorgänge sind so weitgehend identisch, daß beide Wirbeltierklassen als Sauropsiden zusammengefaßt werden können.

Den Urvogel bezeichnet man als Archaeopteryx. Er weißt sowohl Reptillien- als auch Vogelmerkmale auf. Die bekannten Fossilfunde aus dem Altmühltal in Bayern gehören einer Schicht an, die ein geologisches Alter von etwa 150 Millionen Jahren haben. Der Urvogel beschreiben die Forscher so:
  • etwa krähengroß
  • Kiefer mit Zähnen besetzt
  • überwiegend schnell
  • biped (beidfüßig) laufend
  • Schädelhöhle für Cerebellum klein
  • "Flatterer" (Er war also flugunfähig)
  • Schwanzskelett lang und beidseitig mit Federn besetzt befiedert
  • einfache Rippen, ohne Harkenfortsätze, kein flaches Sternum
Bisher wurden zehn mehr oder minder gut erhaltene Skelette der Gattung Archaeopteryx sowie eine einzelne Feder gefunden. Alle diese Fossilien stammten aus den Schichten des oberen weißen Jura in den Steinbrüchen bei Eichstätt, Solnhofen, Langenaltheim und Jachenhausen bei Riedenburg. Der Abdruck der einzelnen Feder wurde 1860 entdeckt, das erste Skelett 1855 und das bisher letzte Exemplar 2005.

1400 - 1600

So, nun gehen wir wieder mit großen Schritten in die Neuzeit, genauer ans Ende des 15. Jahrhunderts. Warum ausgerechnet in diese Zeit ? Nun, da wurden die Kanarischen Inseln von den Spaniern erobert. Die Kanarischen Inseln, ferner Madeira und die Azoren, sind die Heimat der Kanariengirlitze, von denen unser "Hauskanarie" abstammt. Wahrscheinlich haben die Kanarien die Seeleute und Soldaten beeindruckt, so daß sie diese Vögel mit in ihre Heimat brachten. Später brachten auch Händler Kanarienvögel mit nach Spanien.

Die Mönche Spaniens begannen als erste, Kanarien in den Klöstern zu züchten. Sie hatten auch damit Erfolg. Sie verkauften Tiere innerhalb Spaniens, aber auch in andere Länder wie Frankreich, Italien und England. Das besondere war, daß die Mönche, die auf gute Einnahmen für die Mutter Kirche bedacht waren, stets männliche Tiere verkauften, um die Monopolstellung zu halten. Dies gelang bis etwa 1550. Cardiz war übrigens die erste Kanarienhandelsmetropole.

Conrad Gesner (1516 - 1565) beschrieb den Kanarienvogel, wenn auch unvollständig, in seiner "Naturgeschichte der Vögel". Gesner gab ihm dort den Namen "Canaria avicula". Erst 1619 beschrieb der Italiener Aldrovandi in seinem Buch nähere Einzelheiten.

Italien und England konnten ebenfalls vor 1600 Kanarien züchten, hatten jedoch nicht die Monopolstellung. Wie die weiblichen Tiere allerdings in diese Länder kamen, ist ungeklärt. Dazu erzählt uns eine Legende, daß plötzlich ein spanisches Schiff an der Küste Elbas gestrandet sei, das weibliche Kanarengirlitze geladen hatte. Die Realität dürfte wohl etwas anders aussehen. Es gibt viele Möglichkeiten: Handelsschiffe, Piratenschiffe , Schmuggel.

Auch in Frankreich wurden Kanarien gezüchtet. Dies war gegen Ende des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Hugenottenverfolgung, zur Zeit wo Katharina di Medici regierte und Nostradamus lebte. Zu dieser Zeit hatte Spanien das Monopol der Kanarienzucht verloren. Aus der Literatur weiß man, daß auch die Schwiegertochter Katharinas, Maria Steward (wurde in Frankreich zu "Stuart" umgewandelt), die spätere Königin von Schottland, von ihrem ersten Gemahl Franz zum Geburtstag einen Kanarienvogel bekam. Beide, Maria und Franz, waren zu diesem Zeitpunkt Kinder, aber verheiratet, wie es damals üblich war. Franzosen verkauften ihre Tiere, teilweise mit verschiedenen Färbungen, nach Holland, Deutschland, Schweiz und England. Hier, also in Frankreich, legte man mehr Wert auf die Farbe des Kanarienvogels.

1600 - 1700

Queen Elizabeth I. von England machte nachweislich mit Piraten, insbesondere Walther Releigh und Francis Drake, Geschäfte. Selbstverständlich handelten die Piraten ohne das Wissen ihrer Majestät, Queen Elizabeth I, hieß es offiziell, was selbstverständlich nicht stimmte. Im Gegenteil, Elizabeth I. förderte die Piraten. Beide, Releigh und Drake, bekamen eine schriftliche Generalbegnadigung und aufgrund der besonderen Verdienste wurden sie geadelt. Die Verdienste bestanden darin, daß durch die Piraterie Geld in die königlichen Kassen floß, daß dringend gebraucht wurde, um das Land England und den Thron Elizabeths zu sichern.

Nach einer Überlieferung soll sich diese Szene zwischen Elizabeth I und Francis Drake abgespielt haben: Drake überbringt der Queen einen Käfig, in dem ein grüner Kanarienvogel saß. Die Königin schaute sich eine Weile den Vogel an, und fragt, warum Drake ihr diesen unscheinbaren Vogel mitbringe, wo sie doch gehört hatte, dass exotische Vögel viel farbenprächtiger seien. Drake entgegnete, die Queen solle warten, bis der Vogel singen würde. Als sie den Kanarienvogel dann singen hörte, avancierte er zu einem ihrer Lieblingshaustiere. Die Legende berichtet weiter, daß die Queen bis zu ihrem Tod Kanarien hielt und sehr auf die Pflege ihrer Schützlinge achtete.

Im elizabethanischen England wurde es zunehmend Mode unter den Adligen, einen Kanarienvogel zu halten. Kanarien waren die "Zuckervögelchen", wie zuvor in Spanien. Es war "in" seiner Herzdame einen Kanarienvogel zu schenken, wobei man diesen mit einem Gedicht feierlich überreichte. Bei der Zucht legte man Wert auf das Erscheinungsbild, auf Haltung und äußere Merkmale. Also entstanden schon frühzeitig in England Vorfahren unserer heutigen Positurkanarien.

In Italien kamen die ersten Mutationen vor. Es waren Vögel mit gelben Scheckungen. Von Italien kamen Tiere nach Deutschland, wo um 1600 in Tirol die ersten Züchtungen begangen. In Tirol wurde die Kanarienzucht und der Handel für viele Menschen der Broterwerb schlechthin. Es gab eine Gesellschaft in Imst / Inn, die den Aufkauf der Vögel bei den Züchtern und den Versand von Kanarien in alle Welt organisierte. In Tirol wurden Schecken und gelbe Farbkanarien gezüchtet, aber auch schon weiße Farbkanarien und weiße Schecken.

1700 - 1800

Die Blütezeit der Tiroler Kanarienzucht war das 18. Jahrhundert. Die Tiroler Bergleute brachten Kanarienvögel mit in den Harz. Ein "typischer" Vogelhändler sieht man auf dem nebenstehendem Bild.

Bergleute aus Imst brachten den "Harzer Roller" um 1730 auf der Suche nach Arbeit als Haustier in den Oberharz. Besonders für Berg- und Hüttenleute sowie Waldarbeiter bedeutete die Zucht der beliebten Singvögel, sowie auch die Herstellung der Versandkäfige, einen wichtigen Nebenerwerb im Verlauf der Geschichte. 

Wolfgang Amadeus Mozart hat diesen Menschen in seiner "Zauberflöte" ein Denkmal in der Gestalt des "Papageno" gesetzt. Zumeist waren die Vogelhändlich Bergleute, die mit dem Verkauf von Kanarien einen Nebenerwerb hatten. Bergleute waren arme Leute.




1800 - 1900

Viele Bergleute verdanken ihr Leben den Kanarienvögeln. Die kleinen Singvögel wurden im 19. Jahrhundert in den Zechen im Ruhrgebiet eingesetzt, um vor Grubengasen zu warnen. Kanarienvögel sind ziemlich empfindlich und reagieren schon bei kleinsten Gasmengen. Im Klartext heißt das: Fiel der Vogel von der Stange, wurde es für die Kumpels höchste Zeit, das Weite zu suchen.

Anfang des 19. Jahrhunderts begann die Kanarienzucht im Harz. Die Züchter trafen eine Auslese der begabtesten Sänger (über mehrere Generationen), so daß die Grundbegabung und die Fähigkeit dazuzulernen weitaus größer als bei den bis dahin bekannten Kanarien war. Einige Züchter legten besonderen Wert darauf, das Vögel mit besonders schönem Gesang gezüchtet wurde.

In Zusammenhang mit den Harzer Gesangskanarien sind einige Züchter des 19. Jahrhunderts im besonderen zu nennen:
  • Wilhelm Trute, St. Andreasberg
  • Heinrich Seifert, St. Andreasberg
  • Peter Erntges, Elberfeld
In der heutigen Zeit gibt es drei verschiedene Zuchtrichtungen von Gesangskanarien in Deutschland.

Auch am kaiserlichen Hof, 1854, in Wien zur Regierungszeit Kaiser Franz Josef I. von Habsburg wurden auch Vögel gehalten. Im ersten Ehejahr, als Kaiserin Elizabeth noch in Wien bzw. Schloß Schönbrunn , unter der Fuchtel von Erzherzogin Sophie von Habsburg, lebte, hatte sie mehrere große Volieren mit Vögel in ihren Gemächern. Die Vogelliebhaberei war ein Dorn im Auge ihrer Hofdamen und ihrer "lieben" Schwiegermutter Erzherzogin Sophie, da neben den Waldvögel und Kanarien auch Papageien gehalten wurden. Als die 18jährige Kaiserin Elisabeth 1855 "guter Hoffnung", also schwanger war, verbot letztere ihr den Umgang mit ihren Vögel, weil sie daran glaubte, daß Einflüsse von außen das Aussehen des Kindes bestimmen. Erzherzogin Sophie bat darum, daß Elisabeth lieber sich im Spiegel und Kaiser Franz Josef ansehen solle. Elisabeth reagierte auf diesen Wunsch ablehnend, worauf auf Sophies Befehl hin, alle Vögel in die Wiener Menagerie gebracht wurden. Diese Bevormundung Sophies führte nicht zum ersten ernsthaften Streit zwischen den beiden Frauen, wobei sich Sophie leider noch durchsetzen konnte. Nachkommen der berühmten Papageien gibt es heute nicht mehr.

1900 - 2000

In England widmete man sich weiterhin vornehmlich mit der Zucht von Kanarien mit "figürlichen" Merkmalen, während in Frankreich und Holland die "frisierten" Kanarienvögel in den Vordergrund traten. Diese Vögel ließen leider sehr im Gesang nach, was auch für die Farbenkanarien gilt.

Das wohl wichtigste Ereignis in der Farbenkanarienzucht war die Einkreuzung des Kapuzenzeisigs in 1915. Es war mühsam, das Rot in die Kanarien zu bringen, denn nur ein ganz geringer Prozentsatz der Männchen (Mischlinge) war fruchtbar. Vorreiter waren die Züchter Balser in Fulda und der Züchter Dahms in Königsberg.

2000 - 2100

Eine neue Geisel bringt die Vogelzüchter in Veruf: Die "Vogelgrippe". Die Vogelgrippe (aviäre Influenza; Geflügelpest ) ist eine durch ein Virus mit der Bezeichnung H5N1 hervorgerufene anzeigepflichtige Tierseuche, von der vor allem Geflügel und wildlebende Vögel betroffen sind. Dennoch hat die Presse dafür gesorgt, dass viele Menschen geradezu hysterisch Angst haben, zu erkranken. Dadurch werden es Züchter nicht einfach haben, und auch das Überleben kleinerer Vereine ist ungewiß.

Es wurden weitere Kanarienrassen und neue Farbschläge anerkannt.


© 2016, Nicole Müller (Erstveröffentlichung 1997)